Eigeneinkommen des unterhaltsberechtigten Kindes!
Es ist ein alltägliches Szenario, das vor dem Hintergrund der Ereignisse der letzten zwei Jahre in der Praxis aktueller denn je erscheint:
Viele Familien haben den vielfältigen Belastungen (u.a. Homeoffice samt Homeschooling, Kinderbetreuung, Jobverlust) die die vergangenen (beinahe) zwei Jahre mit sich gebracht haben, nicht standgehalten.
Es folgt die Scheidung.
Mütter müssen ohnedies oft einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, führen den Haushalt und betreuen das Kind. Viele Kinder äußern den Wunsch zu studieren und weiterhin – angesichts der explodierenden Mietpreise kaum verwunderlich – im mütterlichen Haushalt „betreut“ zu werden.
Oftmals müssen Studenten aufgrund der geringen Unterhaltszahlungen des geldunterhaltspflichtigen Elternteiles neben dem ohnedies zeitintensiven Studium einer Nebenbeschäftigung nachgehen. Das Gesetz schreibt zwar nirgends die Erzielung eines eigenen Einkommens durch das unterhaltsberechtigte Kind vor Beendigung seiner Ausbildung vor, aber dass das Eigeneinkommen des Kindes/Studenten seinen gesamten Unterhaltsanspruch vermindert.
Nicht selten stellt der geldunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund des Eigeneinkommens des Studenten beim zuständigen Bezirksgericht einen Antrag auf Unterhaltsenthebung.
Viele Kinder/Studenten sind - ob dieser (augenscheinlich) ausweglosen Situation mitunter verzweifelt - sind sie doch auf den „Zusammenhalt“ von Unterhalt und Eigeneinkommen gleichermaßen zur Deckung ihres (erhöhten) Unterhaltsbedarfs angewiesen.
âž” Wie ist es nun aus unterhaltsrechtlicher Sicht zu beurteilen, wenn das Kind/der Student ein Eigeneinkommen erwirtschaftet?
Der Unterhaltsanspruch eines Kindes ist nicht altersabhängig, sondern ist vom geldunterhaltspflichtigen Elternteil bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit (!) des Kindes zu leisten. Ein erfolgreich betriebenes Studium schiebt die Selbsterhaltungsfähigkeit entsprechend hinaus. Der Kindesunterhalt wird - je nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des unterhaltspflichtigen Elternteils - entweder nach der Prozentsatzmethode oder nach den sogenannten Regelbedarfsätzen errechnet bzw. festgestellt. In der Praxis kommt es häufig vor, dass der geldunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund seiner wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit zu Unterhaltszahlungen verpflichtet wird, die weit unter dem Regelbedarf liegen und damit nicht bedürfnisdeckend sind.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Bedarf nur einer der Bemessungsfaktoren ist und daher Eigeneinkommen des Kindes nicht jedenfalls dessen Unterhaltsanspruch mindert! Dies vor allem dann nicht, wenn der Unterhaltspflichtige wegen seiner geringen Leistungsfähigkeit bisher nur einen Bruchteil des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten decken konnte (vgl. 6 Ob 8/17w).
Jedenfalls zu berücksichtigen ist aber, wenn der Geldunterhaltspflichtige mit seinen Unterhaltszahlungen nicht einmal (!) den - nach dem jeweiligen Kindesalter gestaffelten - nach Alter gestaffelten - Regelbedarf deckt. Das Eigeneinkommen des Kindes mindert den Unterhaltsanspruch dann so weit nicht, als es dazu dient, die Differenz zwischen dem konkreten (festzustellenden) Unterhaltsbedarf und dem tatsächlich geleisteten Unterhalt auszugleichen (RIS-Justiz RS00470440 – T12)! Im Lichte der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (6 Ob 8/17w) ist das Eigeneinkommen eines unterhaltsberechtigten Kindes auf dessen Unterhaltsanspruch nicht (!) anzurechnen, wenn sich die Notwendigkeit einer Erwerbstätigkeit aus der Tatsache ergibt, dass der Unterhaltsschuldner seiner Verpflichtung nicht bzw. nicht ausreichend nachkommt, und sich das Kind auf diesen Umstand beruft.
Zusammengefasst können Studenten grundsätzlich neben ihrem Studium einer Erwerbstätigkeit nachgehen, um die Differenz der nicht bedürfnisdeckenden Unterhaltszahlungen des unterhaltspflichtigen Elternteiles selbst zu decken.
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Eigeneinkommen des Kindes nur zur Hälfte anrechenbar
Der OGH hat wiederholt erkannt, dass das Eigeneinkommen des Kindes/Studenten - wenn dieser noch im Haushalt des anderen Elternteiles lebt - nur zur Hälfte bei der Berechnung der Unterhaltsverpflichtung des geldunterhaltspflichtigen Elternteiles anrechenbar ist.
Der OGH begründet dies damit, dass es nicht sachgerecht ist, dass das Eigeneinkommen des Studenten lediglich den geldunterhaltspflichtigen Elternteil entlasten soll. Vielmehr soll die Entlastung auch dem betreuenden Elternteil zugutekommen, unabhängig davon, ob eine tatsächliche Einforderung oder Zahlung als „Kostgeld“ stattfindet (RIS-Justiz RS0047500).
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Verfahren und Zuständigkeit
Der Kindesunterhalt wird im Außerstreitverfahren geltend gemacht.
Zu beachten ist, dass gemäß § 78 AußStrG in Unterhaltsverfahren Volljähriger das Kostenersatzprinzip herrscht. In Verfahren über Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes findet demgegenüber ein Kostenersatz weiterhin nicht statt.
Die Entscheidungskompetenz kommt im erstinstanzlichen Verfahren dem Diplomrechtspfleger zu.
Nicht selten berechnen die Diplomrechtspfleger den Kindesunterhalt sehr schematisch. In vielen Fällen zahlt es sich daher aus, den Instanzenzug zu beschreiten, da dann die Entscheidung eines Diplomrechtspflegers von einem Richter überprüft wird.
Zur Autorin: Mag. Alexandra Posch ist Rechtsanwältin in Wien für Allgemeines Zivil- und Wirtschaftsrecht sowie Ehe- und Familienrecht.
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